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Die Kapelle von Matzen

Die Kapelle von Matzen
im Widerstreit zwischen Rittersdorf und Bitburg-Liebfrauen

Von Dr. Nikolaus Kyll

In zwei Echternacher Besitzurkunden wird um 700 ein Siedlung Matholfingo oder Mathulfovillare genannt, die oft als Matzen gedeutet wurde und wird. Es kann sich aber dabei kaum um Matzen handeln, da die übrigen Orte der beiden Urkunden in unmittelbarer Nähe des Klosters Echternach liegen und diese Abtei später keinen nachweisbaren Besitz in Matzen hatte.

Matzen und das untergegangene Ewen erscheinen mit Rittersdorf seit dem 10. Jahrhundert "als grundherrlicher Besitz der Abtei St. Maximin zu Trier. In zwei Maximiner Urkunden von 1227 und 1230 gehören die Orte Rittersdorf und Ewen als abhängige Filialen zu der Pfarrei Bitburg-St. Maximin.

Matzen wird in dieser Eigenschaft nicht genannt, weil es damals anscheinend noch keine eigene Kapelle besaß. In dieser Zeit bilden Ewen und Matzen weitgehend eine dörfliche Gemeinschaft, die aus zwei Siedlungskernen besteht: dem Siedlungskern Ewen mit Kirche und einem Hofgut neben der Kirche und dem bäuerlich-dörflichen Siedlungskern Matzen.

Noch 1691 behaupten die Bewohner von Matzen, Ewen sei ihre ursprüngliche Pfarrkirche gewesen. Eine Kirche in Ewen ist nach einer Urkunde von 962 als Eigenkirche der Abtei St. Maximin möglich. Sicher stand 1107 in Ewen eine nicht unwichtige Kirche.

Am Osterdienstag dieses Jahres übernachtete Abt Tietmar von Heimarshausen bei Kassel in Ewen, als er die Reliquien des Trierer Bischofs Modoald (622-640) — ein Geschenk des Erzbischofs Bruno von Trier — über Prüm — Münstereifel — Köln in seine Abtei überführte. In der Ewener Kirche konnten die Reliquien würdig aufbewahrt werden. Das anliegende Hofgut bot dem Abt Tietmar und seiner Begleitung eine gute Herberge.

Für eine Kapelle in der Siedlung Matzen kommen Nachrichten aus den Jahren 1436 und 1477. Sie war nach dem Visitationsbericht von 1570 dem heiligen Niketius gewidmet, der als einziger Bischof im Kloster St. Maximin sein Grab gefunden hatte. Der genaue Zeitpunkt der Erbauung der Matzener Kapelle kann nicht mehr festgestellt werden. Er liegt nach 1230 und vor 1436. Man gewinnt den Eindruck, daß sie errichtet wurde, als die Kirchensiedlung Ewen ihre Bedeutung verlor. Dieser Zeitpunkt dürfte nach 1300 liegen, als das Hospiz im mauerumwehrten Südteil Bitburgs die Aufgaben übernehmen konnte, die am Beispiel des Abtes Tietmar gesehen um 1100 die Kirchen- und Hofsiedlung Ewen erfüllte.

Höhepunkt und Rückschritt in der geschichtlichen Entwicklung von Bitburg-St. Maximin und Ewen als Eigenkirchen der Trierer Abtei St. Maximin deuten auf wichtige Umschichtungen der kirchlichen Organisation im Vorfeld von Bitburg hin, über die keine schriftliche Überlieferung berichtet. Für Ewen-Matzen lagen die ursprüngliche Pfarrkirche zu Bitburg-St. Maximin und deren Nachfolgerin, die Martinskirche zu Rittersdorf, verkehrsmäßig gleich ungünstig. Doch darum kümmerte sich das mittelalterliche Pfarrsystem wenig, da es weitgehend nach grundherrlichem Besitz und Recht ausgerichtet war.

Die Bewohner von Matzen waren mit allen Rechten und Pflichten von Pfarrinsassen nach Rittersdorf eingegliedert, obwohl für sie die Pfarrkirche Bitburg-Liebfrauen näher und bequemer lag. Sie benutzten diese günstige Lage und vernachlässigten infolgedessen ihre Bindungen nach Rittersdorf. Aus der lebenswirklichen Praxis wurde eine Art von Gewohnheitsrecht, das im Jahre 1436 in einem nicht erhaltenen schriftlichen Abkommen zwischen der Pfarrei Rittersdorf und der Filiale Matzen festgelegt wurde, ohne die pfarrliche Zugehörigkeit zu Rittersdorf anzuzweifeln.

Diese Vereinbarung konnte aber nicht alle Reibungsflächen vermeiden und beließ das Verhältnis zwischen der Mutterkirche Rittersdorf und der Filiale Matzen in einem leicht erregbaren Spannungsfeld, in dem von Zeit zu Zeit Streitigkeiten entstehen mußten.

Die Matzener nämlich hielten sich nicht an die Pflichten dieses Abkommens. Auch war die Abtei St. Maximin daran interessiert, ihre grundherrlichen Dörfer Rittersdorf und Ewen-Matzen in einem geschlossenen  Pfarrverband zu  haben. Über die Unstimmigkeiten zwischen dem Pfarrort Rittersdorf und der Filiale Matzen berichten Aufzeichnungen, die in der Handschrift 1644/380, S. 1041-1048, der Stadtbibliothek zu Trier niedergelegt sind.  Sie  können dem Leser des Bitburger Heimatkalenders 1966 einige Hinweise über das vergangene Pfarrleben und den Charakter der Bewohner des Bitburger Landes vermitteln.

Zum Verständnis der örtlichen Verhältnisse darf ein Vorgang nicht verschwiegen  werden, der sich 1622 anläßlich einer Pestepidemie in Matzen ereignet hatte. Damals hatten die Matzener sich durch die Unterweisungen eines böswilligen Ratgebers täuschen lassen und zu einem schrecklichen Mittel gegen die herrschende Pest gegriffen. Unter Zustimmung der meisten Dorfinsassen weihten sie einen noch lebenden Pestkranken dem Teufel.  Zudem begruben sie einen Pesttoten auf unchristliche   Weise mit dem Gesicht nach unten. Die Nachricht über diesen Vorfall, die der Prümer Mönch Servatius Otler in seiner Klosterchronik übermittelt (Handschrift 1712/428, fol. 134, der Stadtbibliothek zu Trier), bezeugt das Westeifler Volksgerede über das Verhalten der Matzener. Es lag nahe, diesen Vorgang mit mangelnder religiöser   Unterweisung und ungenügender seelsorglicher Betreuung in Zusammenhang zu bringen.

Die erwähnten Nachrichten über das Verhältnis zwischen Rittersdorf und Matzen liegen in notariell beglaubigten Abschriften des Jahres 1691 vor. Damals war  Caspar Fischbach aus Neuerburg Pfarrer zu Rittersdorf (1684-1699).

Die Vorfahren der Familie Fischbach waren Inhaber der Mühle zu Fischbach. Ihre Nachkommen werden als Müller zu Niederpierscheid und Mettendorf angetroffen. Ein städtischer Zweig der Fischbacher Müllerfamilie hatte es in Neuerburg zu Vermögen  und Ansehen gebracht. Caspar Fischbach hatte 1677 in der Artistenfakultät der Universität zu Trier zum Bakkalaureus und 1678 zum Magister promoviert. Mit seinem fachlichen Können verband er den Eifer eines guten Seelsorgers und versuchte die pfarrlichen Bindungen zwischen Rittersdorf und Matzen zu ordnen und die Praxis mit den Forderungen des Pfarr-Rechtes in Übereinstimmung zu bringen.

Die  Kirchensehner  als  Vertreter der Pfarrei und der Dorfzender mit den Gemeindeschöffen als Vertreter der Zivilgemeinde Rittersdorf hatten vor dem Bitburger Stadtgericht einen Prozeß gegen Matzen angestrengt; denn der Pfarrer von Bitburg-Liebfrauen ließ durch seinen geistlichen Küster und Schulmeister die Kinder von Matzen unterrichten und nahm dafür eine Entlohnung entgegen. Damit waren Rechte und Einkommen des Rittersdorf er Pfarrers geschmälert. Das Bitburger Stadtgericht bezeichnete die Angelegenheit als ein altes Herkommen und lehnte die Klage ab. Gegen dieses Urteil appellierten Zender und Schöffen von Rittersdorf an das zuständige Provinzialgericht zu Luxemburg. Das Luxemburger Gericht entschied im Sinne des Pfarr-Rechts: Die Pfarrinsassen von Matzen seien verpflichtet, an allen Sonn- und Feiertagen den Gottesdienst in ihrer zuständigen Pfarrkirche zu Rittersdorf zu besuchen und ihre Kinder dort taufen zu lassen und nicht in Bitburg-Liebtrauen.

Mit diesem Entscheid waren die Matzener nicht einverstanden. Im Jahre 1691 wandten sich in einem Schriftsatz „Zender undt Gemeindte zu Matzen in causa der Capellen daselbsten undt anderen beschwernißen gegen den ehrwürdigen Vicarien zu Ritterstorff" an den Abt von Trier-St. Maximin als ihren zuständigen Grundherrn. Sie beschwerten sich, die Rittersdorfer hätten die Unterstützung des Trierer Weihbischofs und des Landdechanten des Bitburger Dekanates gefunden. Deshalb seien sie zu Luxemburg „mit schwären kosten undt eportulen" verurteilt worden. Ferner behaupteten sie, Dokumente über ihre Beziehungen zu Rittersdorf und Bitburg-Liebfrauen befänden sich im Archiv der Abtei St. Maximin. Dabei beriefen sie sich auf den ehemaligen maximinischen Hofschultheißen Thiederich Bargh zu Rittersdorf, der ihnen dies wiederholt versichert habe. Darum bitten sie den Abt, diese Dokumente „betreffend die piaar zu Ritterstorff wegen des kirchengangs zu hohen Festen, item wegen des kirchengangs zu Biedburgh Sonn- undt Feyertags, wie auch des Tauffs daselbsten sampt der kosten" ihnen in einer Abschrift zur Verfügung zu stellen, damit sie „bey hauß undt hoff verbleiben können undt nicht genöthighet seien ein ander aufenthalt zu suchen undt ihre gütter zu quittieren".

Die „underthänige undt undersassen Zender undt Gemeindt von Matzen" fanden das offene Ohr des Maximiner Abtes, wenn auch nicht mit dem Ergebnisse, wie ihr Dorfgerede sie glauben machen wollte. Im Maximiner Archiv entdeckte man schriftliche Unterlagen in Gestalt der „Gravamina Curati in Ritterstorff contra Parochianos a Matzen" (Beschwerden des Pfarrers von Rittersdorf gegen die Pfarrleute von Matzen). Sie waren allerdings hundert Jahre früher, aus der Zeit um 1590. Diese Gravamina hatte der damalige Pfarrer Diederich Thielmann von Ritterdorf (1580-1630) dem Abte von St. Maximin vorgelegt. Eine Abschrift wurde 1691 von zwei kaiserlichen Notaren beglaubigt und den Matzenern ausgehändigt.

In den Gravamina hatte der Pfarrer Thielmann in neun Punkten seine pfarrlichen Forderungen gegenüber der Filiale Matzen aufgestellt:

1.     Er bittet, die Matzener zu belehren, dass sie verpflichtet seien, die christlichen Gebote und Anordnungen zu halten.

2.     Er sei für Matzen der rechtmäßige Pastor, und die Pfarrleute von Matzen unständen ihm „in allen sachen ihres seelen heylls“.

3.     Deshalbe sollen sie „alle Sacramenten, deren notwendigh in ihrer pfaarkirchen gebrauchen und ihre Kinder dhoselbst tauffen lassen“, damit der Pfarrer „der Kinder name, auch dero Patten undt Godten uffschrieben kann“.

4.     Sie sollen „alle Sontags und Feyertags daselbst das Ambt der heylligen Messen, auch Gottes wort mit andacht hören undt ihre Kinder ungehindert zu mittags zu der Kinderpredigt kommen lassen, dass bisher noch nie geschehen.

5.     „Auch dass sie jederzeit, wanneh dass man bestimmte Pittfahrten (Prozessionen) gehet, zu der pfaarkirchen kommen undt mit ihren mit pfaarkindern gehen.

6.     Auch sollen sie über Vermögenszustand, Zinseinkünfte und Ausgaben ihrer Kapelle jährlich vor dem Kirchenmomper zu Rittersdorf Rechenschaft ablegen, damit sie ein Verzeichnis anlegen könne, auf dass nichts verloren gehe und sie ihre Kapelle in besserem baulichen Zustand halten können, als sie sich jetzt befindet.

7.     Der Pfarrer weist auf bestimmte Geldbeträge hin, die ihm nach dem geltenden Kirchenrecht zustehen, die aber in den 15 Jahren seiner Tätigkeit in Rittersdorf von den Matzenern nicht geleistet wurden. Sie hatten sich mit seinem Vorgänger geeinigt, an den vier Hochfesten (Weihnachten, Ostern, Pfingsten, Allerheiligen) pro Haus je fünf Stüber zu steuern. Das ergibt für die erwähnten 15 Jahre eine Summe von 10 Talern. Der Pfarrer beruft sich auf eine bistumsrechtliche Anordnung des Trierer Provinzialkonzils von 1549, nach der an den vier Hochfesten „jeder bericht Mensch (jeder, der zur Osterkommunion verpfichtet ist) einen Pfennig schuldigh zu opfferen hat.

8.     Auch verlangt der Pfarrer, dass sie zum Pfarrsendgericht nach Rittersdorf kommen, wenn es dort abgehalten wird.

9.     Ferner sollen sie die Felder, die zum Pfarrwittum gehörten und von ihen verkauft worden waren, wieder zurückerwerben und dem Pfarrer zur freien Verfügung stellen.

Auf diese neun Punkte verlangt der Pfarrer vom Abt des Klosters St. Maximin eine schriftliche Antwort. Die Gravamina des Pfarrers Thielmann waren Gegenstand einer Verhandlung, die alsbald von dem Abt und dem Pfarrer Diedrich Kolff von Welschbillig in seiner Eigenschaft als Dechant des Dekanates Bitburg mit einigen Bewohnern Matzens abgehalten wurde. Letztere „sagen dabey in aller undertfangenheyt zu ihrem wahren gegenbericht undt antwort“ wie folgt:

1.     Sie verlangen in Matzen einen Kirchensehner, der ihnen „nit zuwider“ ist. Ers oll durch den ehrwürdigen Pastorn gesetzt, ohne jedoch deßhafts sie demnach uff Rettersdorf einzuziehen“.

2.     „Sein sie nit abredigh, sonder willigh, dem Pastorn billigen gehorsam in dem, was sie schuldigh zu erzeigen als einem ihiren Regenten der Capellen Matzen, welchem sie auß dem Sack gelebt undt lieberen müssten etliche Malter früchten, domit er ihnen uff vierzehn Tag drey messen thun sollte, deren jedoch derselb nuhr zwo thut.“

3.     Dies sei festgelegt von altersher in einer Abmachung vom 01. Mai des Jahres 1436.

4.     Hier gelte die gleiche Abmachung wie in Nr. 3.

5.     Sie sagen, daß ein jetzt von ihnen angeregter Vertrag in diesem Punkte 'Ihre Verpflichtungen klären solle.

6.     Sie versprechen, wenn eine Entscheidung der Herren gefallen sei, „dan seien sie zu parieren erbittigh, domit über der Renthen billige rechnungh geschehe; wie auch willigh, die Capell in guttem gebauwe zu halten, obwohl die beschwernuß zur Zeit überhäufig undt was zu zeiten im Überlauf des wassers beschieht, daselb zu wehren, ist nit möglich".

7.     Sie sagen, darüber stehe in ihrer Abmachung nichts und sie „derowegen den ehrwürdigen Pastoren solcher dis-kretion gehalten hatten, daß er ihnen solches nit ahnmuthen solle".

8.     Sie „verhoffen nit schuldigh zu seyn, dohier zu erscheinen, dan durch des ehrwürdigen Pastorn meynungh we-ren sie zu allen ander beschwernußen nit einzubeziehen".

9.     Sie geben „zum wahren bericht, daß zwey felder, welche der Capell wohl zugehörigh gewesen" durch ihre Vorfahren in Anwesenheit des verstorben Vaters des Pfarrers Thielmann verkauft wurden. Sie seien zudem für die Kapelle von geringerem Nutzen gewesen als das erlöste Geld, das sie gut angelegt hätten.

Nach einer ausdrücklichen Mitteilung auf der notariellen Kopie von 1695 fehlen unter dieser Erklärung die Unterschriften der Matzener Unterhändler.

Die Matzener Erklärung wurde einem Entscheid zu Grunde gelegt, der am 26. Mai 1691 auf neutralem Boden im Pfarrhause zu Biersdorf durch den Offizial des Trierer Weihbischofs erfolgte. Dabei stützte er sich weiterhin auf eine Erklärung des Rittersdorfer Pfarrers Caspar Fischbach und des Pfarrers Birton von Bitburg-Liebfrauen.

Nach dem Bericht des Pfarrers Birton waren durch die verworrenen Verhältnisse in Matzen nicht allein die Kinder, sondern auch die Erwachsenen, sogar die Kirchensehner von einer unglaublichen Unkenntnis in religiösen Dingen. Der Entscheid verfügte, daß in Zukunft die Bewohner von Matzen gemäß der gleichen Rechtsgewohnheit der übrigen Pfarrinsassen zu allen Sonn- und Feiertagen in der Pfarrkirche zu Rittersdorf an der heiligen Messe, der Predigt und Christenlehre teilzunehmen hätten. Mit Ausnahme von Notfällen, und dann auch nur mit besonderer Erlaubnis ihres Pfarrers, seien die Kinder in der zuständigen Pfarrkirche zu Rittersdorf zu taufen. Die übrigen Sakramente hätten sie aus den Händen ihres Pfarrers, eben des Pastors von Rittersdorf, zu empfangen. Die Säumigen bei Messe, Predigt und Christenlehre seien durch die Kirchensehner zu melden und nach dem geltenden Diözesanrecht zur Rechenschaft zu ziehen. Eine Abschrift der Entscheidung wurde dem Pfarrer von Rittersdorf, den Einwohnern von Matzen und dem Pfarrer von Bitburg-Liebfrauen zugestellt.

Mit diesem Schiedsspruch war die Angelegenheit aber nicht erledigt. Aus einer Eingabe der Matzener an den Abt von Trier-St. Maximin erfährt man über ihren weiteren Verlauf. Der Landdechant hatte den Biersdorfer Entscheid vom 26. Mai 1691 dem Amtmann und den Schöffen von Bitburg mitgeteilt. Daraufhin entzogen die städtischen Behörden Bitburgs den Matzenern ihr bisher erwiesenes Wohlwollen. Diese selbst „wurden auf antragh eines jetzigen Herren Pastoren zu Ritterstorff wegen des aisdortigen Güsters undt Schulmeisters lohn zufolge durch Zender undt Gemeindte Ritterstorff mit schwären kosten in action gezogen". Mit einem mündlichen Protest hatten sie diese Maßnahmen über sich ergehen lassen. Diese mündlichen Beschwerden faßten sie in einer schriftlichen Eingabe an den Abt zusammen. Dabei bekannten sie einige bemerkenswerte Umstände, die in den früheren Verhandlungen nicht zur Sprache gekommen waren. So hatten „sie ihren eigenen Güster undt Schulmeister von unvordencklichen zeiten quietissime (=heimlich), welcher Güster seine function so wohl in der Capellen Matzen als auch bey den Krancken versehe, undt sie ihn zahlen müssen". Sie „seyen in uhralter possession, als nemblichsie des Sonn- undt Feyertags zu Biedtburgh ad B.M.V. die heylige meß undt anderen Gottesdiensten hören, auch ihre Kinder dhoselbsten tauffenlassen, ohne daß einiges jemahlen zu Ritterstorff getaufft worden. Von welchem Gottesdienst dan undt Tauff sie einem ehrwürdigen Pastoren zu Biedtburgh jahrs geben fünff fuder holtz undt dan von jedem kindt zu tauffen ein Haan". Geschickt formulieren sie dann weitere Angaben zu ihren Gunsten. Rittersdorf liege eine starke Stunde entfernt. Der Weg dorthin sei zur Winterszeit und öfters auch im Sommer so schlecht, „daß man genöthiget ein pferdt zu brauchen undt das wasser, Niembs genant, so wohl winters als sommers dergestalt auff-schwellen thut, daß man schwerlich mit einem pferdt auff beyder seltnen der brücken kommen kann". Dagegen betrage die Entfernung nach „Biedtburgh aber nuhr ein klein viertel stündtlein". — In Wirklichkeit betragen die Entfernungen in Luftlinie von Matzen nach Bitburg-Liebfrauen 2,3! km und nach Rittersdorf 3,5 km. — Auch „seyen sie in uhralter possession nuhr zu den vier hohen Festtagen dem gottesdienst zu Ritterstorff schuldigh bey zu wohnen". An diesen Festtagen müßten sie Kommunikantenwein und Hostien mitbringen. „Diese hostien sowohl klein als groß wie auch die palmen (Buchsbaumzweige für Palmsonntag) sie in Kloster Himmeroth jahrlichs bekommen von von wegen der verfallener Kirchen Ewen, so von althers ihre pfahr gewesen". Für die Hostien und Palmen gäben sie dem Kloster Himmerod als jährliche Gebühr 12 Eier. Diesen Brauch fände man wohl bei einigen Pfarrkirchen, aber nur bei einer einzigen Kapelle, nämlich Matzen.

Mit diesen Darlegungen versuchten sie den Abt des Klosters St. Maximin als ihren Grund- und Lehensherrn und als „Collator auff Präsentation einer hochwürdigen Äbtissinen zu St. Thomas" für sich zu gewinnen. Der Ausdruck „Collator auff Präsentation" besagt, daß die genannte Äbtissin das Recht hatte, bei Besetzungen der Rittersdorfer Pfarrstelle dem Abt einen Priester zu benennen, den dieser dem Trierer Bischof zur Ernennung vorschlug. Wie eine milde Erpressung des grundherrlichen Abtes klingt dann ihre weitere Behauptung, daß „etliche Einwohner von ihnen das dorff lieber quittieren wollen als solche beschwerliche last" auf sich und ihre Kinder zu laden. Abschließend bitten sie den Abt, auf den Pfarrer von Rittersdorf einzuwirken, seine Haltung gegenüber den Matzener Filialisten zu ändern.

Die Eingabe blieb ohne Antwort, da der Abt an die bischöflichen und landesherrlichen Entscheidungen gebunden war, die zudem in seinem eigenen Interesse lagen. Notgedrungen scheinen sich die Matzener in der folgenden Zeit mit den Urteilen von Luxemburg und Trier abgefunden zu haben. Als greifbarer Hinweis für eine solche Haltung erscheint die Bitburger Prozessionsordnung von 1757. Nach ihr führten die beiden Bitburger Pfarreien gemeinsam ihre Prozession am ersten Bittag nach Matzen. Dort trafen sie mit der Rittersdorfer Prozession zusammen. Zum Beweis seiner örtlichen Pfarrgerechtsame hielt der Pfarrer von Rittersdorf in seiner Filialkapelle Matzea für alle Bittfahrer das hohe Amt mit Predigt. Die gleiche pfarrechtliche Bindung verpflichtete am zweiten Bittage bei der gemeinsamen Bitburger Bittprozession nach Mötsch dort den zuständigen Pfarrer von Bitburg-St. Peter und am dritten Bittage in Stahl den zuständigen Pfarrer von Bitburg-Liebfrauen zum Hochamt mit Predigt.

Bei der Neuordnung der Pfarrgrenzen im Jahre 1806 wurde Matzen aus der Pfarrei Rittersdorf ausgegliedert und nach Bitburg-Liebfrauen eingepfarrt. Damit war ein jahrhundertealtes Streben der Matzener erfüllt.

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Quelle: Heimatkalender des Landkreises Bitburg 1966, S. 67 ff.
(Mit freundlicher Genehmigung der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm)